Metamorphose einer grauen Maus
Pressebericht vom 16.07.2005 in "Die Presse":
Sanierung:
Metamorphose einer grauen Maus
Christa Langheiter (Die Presse) 16.07.2005
Ein altmodischer Energiefresser mutiert zum modernen Passivhaus. Schritte einer Wandlung.
Juri Gagarin im Weltall, James Bond auf der Leinwand, der Minirock in den Boutiquen: Die 60er-Jahre mögen viel Nettes hervorgebracht haben, architektonische Raffinesse und energetische Effizienz zählen allerdings kaum dazu. Ein Einfamilienhaus im oberösterreichischen Pettenbach war - bis vor kurzem - ein Musterbeispiel für diese Ära: dunkel, wenig attraktiv und mit einem jährlichen Heizenergiebedarf von rund 280 kWh pro Quadratmeter ein wahrer Energiefresser. Zum Vergleich: Bei modernen Neubauten liegt diese Energiekennzahl bei rund 58 kWh/m2a, Passivhäuser bleiben unter 15 kWh/m2a.
Seit diesem Juni aber, nach rund achtmonatiger Sanierung, kann sich das Gebäude mit dem Prädikat "Passivhaus" schmücken. Und ist damit das Erste seiner Art in Österreich. Grund genug für die Programmlinie "Haus der Zukunft", das Vorhaben zu unterstützen. Schließlich stehen hier zu Lande rund 400.000 Einfamilienhäuser, die in thermischer Hinsicht als ähnlich schlecht gelten: Auch die Bauten der 50er-, 70er- und 80er-Jahre punkten nicht durch ihr Energiespar-Potenzial.
Große Räume, große Fenster
Wie aus dem Pettenbacher Bungalow nun ein optisch wie energetisch einwandfreier Bau wurde? Zunächst entledigte man sich einiger Zwischenwände, aus den früher kleinteiligen Räumen wurden großzügige - etwa ein Wohn-Ess- Bereich mit offener Küche.
"Außerdem vergrößerten wir die Fensterflächen, zumeist auf Raumhöhe", schildert Günter Lang, dessen Unternehmen Lang Consulting das Konzept für die Sanierung entwickelte und umsetzte - und das ursprüngliche Gebäude gerne als "graue Maus der 60er bezeichnet. Nicht nur der möglichst freie Blick auf die Bergwelt des Salzkammerguts war ein Grund dafür. So konnten auch Wärmebrücken des bestehenden Mauerwerks entschärft werden. Neue Dämmungen im Kellerbereich und an den Außenmauern ergänzten diese Maßnahmen, eine Thermohülle aus Holz sollte als Fassade für Wärmeschutz sorgen.
Zu diesem Zweck wurde das Haus mittels Laser gescannt, die 40 Zentimeter dicken Holzkonstruktionen im Werk vorgefertigt, mit Passivhaus-Fenstern versehen und innerhalb von drei Tagen an die Fassade gehängt. Auch das zusätzliche Obergeschoß sowie das Dach wurden so montiert.
Neben dem angenehmen Äußeren kann das ehemals düstere Einfamilienhaus nun auch auf höheren Wohnkomfort verweisen: "Speziell dank der kontrollierten Be- und Entlüftung mit effizienter Wärmerückgewinnung", so Passivhaus-Experte Lang. "Überdies wird die Schimmelbildung vermieden, die bei konventioneller Sanierung häufig auftritt."
Und kann der Ansatz des Vorzeigeprojekts auch auf andere Häuser übertragen werden? Eine wärmedämmende Holzfassade nach Pettenbacher Muster anzubringen, ist grundsätzlich bei jedem Gebäude möglich. "Wie einfach, hängt allerdings von der Befestigungsmöglichkeit ab", erklärt Hans Christian Obermayer, der mit seiner Firma die Konstruktion fertigte. Bei Beton oder Vollziegel sei es kein Problem. "Aber auch bei diesem Gebäude hier haben wir eine Lösung gefunden. Und da war es nicht so simpel."
Kein Ausnahmefall
"Prinzipiell ja", meint auch Lang auf die Frage, ob aus jedem Energiefresser ein Sparefroh werden kann; eine genaue Bestandsaufnahme sei aber Voraussetzung. "Der Bauherr muss in die Planung investieren, damit kein Flickwerk, sondern ein Gesamtkonzept entsteht." Es gilt viele Details zu beachten, von der Anordnung der Fenster bis zu den Möglichkeiten, die Lüftungsanlage zu installieren.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht sei eine Passivhaus-Sanierung durchaus machbar, so Lang. "Vor allem wenn die Politik das Wirtschaftspotenzial erkennt und besser fördert, kann sich die Sanierung rascher amortisieren". Der Umbau hat beim Objekt in Pettenbach übrigens etwa 15 Prozent mehr gekostet als eine konventionelle Sanierung. Vorteil: Investitionen in Energiekosten bleiben dem Bauherren aber künftig erspart.
Lang ist überzeugt: Nachahmer sollten nicht lange auf sich warten lassen. Die "verrufenen" Bauten aus den 50er- bis 80er-Jahren könnten nach einer derartigen Sanierung also wieder attraktiv werden, nicht zuletzt in ästhetischer Hinsicht. 007 und der Minirock sind es ja, nach diversen Faceliftings, auch noch immer.